Veröffentlicht in: Gut leben. Das lebensbejahende Magazin der Lebens- und Sozialberatung und Personenbetreuung in Wien, Ausgabe #2, 2024: Trauer als Geschenk sehen
Jeder Abschied, jeder Verlust ist ein kleiner Tod, sagt man. Wie soll ich das jemals schaffen, ohne die oder den oder das leben zu können? Wie soll ich jemals wieder lachen können, wo mir doch nur zum Weinen ist? Welchen Sinn hat das alles? Wie kann ich jemals mit dieser Schuld leben? Wie komme ich da wieder raus? Fragen über Fragen!
Der schlimmste Verlust ist der Tod eines geliebten Menschen, als Verlust erleben wir aber auch Abschiede aus gewohnter Umgebung (Wohnort, Arbeitsplatz…), Träume und Lebenspläne aufzugeben, Beziehungen zu lösen, Überzeugungen über Bord zu werfen und vieles mehr.
Verluste werden uns bewusst durch unzählige, schmerzhafte „Nie wieder“. Sie rufen in uns Trauer hervor, jenes Chaos von Gefühl und Emotion, Verzweiflung und Ausweglosigkeit, von Schuldzuweisungen und Irrwegen. Zur rechten Zeit leuchten dann immer öfter kleine Schimmer neuer Zuversicht auf, Träume von Aufbrüchen und neuer Lebenskraft. Keine Sorge! Trauer ist die ganz normale Reaktion auf Verluste!
Gelungen Trauern heißt, eine Ahnung davon zu entwickeln, dass wir das Geheimnis geglückten Lebens im Loslassen finden. Loslassen lässt dankbare Erinnerung entstehen und Erlebtes abschließen. Loslassen schafft Raum für Neues, Spannendes und Neugierde auf Unvorhersehbares. Wer in diesem Sinn zu trauern gelernt hat, wird dereinst auch ein gutes Sterben erleben dürfen: das endgültige und unwiderrufliche Loslassen. Wie schön, dass wir Menschen trauern können!
Vielen gelingt die Trauer besser mit Unterstützung in einem achtungsvollen Dialog, etwa im Rahmen psychosozialer Begleitung. Die Begleitenden bedürfen der Überzeugung, dass im menschlichen Leben aus eigener Kraft Wandlung und Heilung möglich ist. Denn Trauer können wir kaum nach einem ausgeklügelten Konzept abarbeiten, und noch so tolle Algorithmen können uns nicht vormachen, wie Trauer „funktioniert“. Und noch etwas sollte die Begleitenden auszeichnen: eine Haltung der Demut, die nicht gleich nach dem Beratungserfolg Ausschau hält, sondern nach dem Wunder des Aufstehens und Weitergehens eines Menschen, der in seiner Seele langsam wieder Platz für Schönes und Beglückendes findet.
Das ist wichtig:
Lassen wir Trauer zu, geben wir ihr Raum und Zeit – bei uns selbst und bei anderen.
Ein liebevoller Händedruck und die Frage: „Was kann ich jetzt für Dich tun?“, ist mehr wert als ein Redeschwall darüber, dass eh bald alles wieder besser wird.
Kinder machen kein Hehl aus ihrem Gefühlschaos. Nehmen wir ihre eigene Ausdrucksweise ernst und lassen wir sie so trauern, wie es für sie gut ist.