Irgendwann war’s die letzte Ernte… Eine Einladung zum Nach-, Weiter- und Umdenken übers Sterben und Begleiten

Sommer und Herbst sind die Zeit der Ernte. Überall feiern wir danach fröhlich Erntedank. Bald nach der Ernte sterben viele Pflanzen. Andere bringen viele Jahre, oft Jahrzehnte, neue Früchte, bis für sie die Zeit da ist, zur Erde zurückzukehren. Bei diesem letzten Weg verschenken sie sich der Erde und geben ihr zum Abschied Nährstoffe, wodurch neues Leben gedeihen kann. Ganz selbstverständlich begleiten wir Menschen diesen Kreislauf des Lebens und Sterbens, wir sortieren die Früchte, genießen und verarbeiten sie, kürzen die Triebe, düngen, jäten, zupfen die welken Blätter ab und entsorgen, was nicht mehr nutzbar ist.

Es ist nur ein kleiner, aber ziemlich einschneidender Schritt zu der Einsicht, dass dieser Kreislauf der Natur uns Menschen nicht ausnimmt: Ja, wir wachsen, leisten vieles im Leben, mal gibt’s schönere Früchte, mal gehen sie daneben, und wir zupfen an uns herum und entsorgen manches wie welke Blätter: auch so manche Idee, Hoffnung und Enttäuschung. Das ganze Leben sind wir blühend und sterbend zugleich, bis es irgendwann die letzte Blüte gewesen sein wird und die letzte Frucht. Und dann schaut jede/r von uns zurück auf die Ernte ihres oder seines Lebens und schenkt sich zuletzt der Erde wieder zurück (und für die unter uns, die es glauben: auch zurück in die Unendlichkeit eines liebenden Gottes).

Menschen auf ihrem letzten Weg, beim letzten Erblühen und Früchte tragen und beim Entsorgen ihrer welken Blätter zu begleiten, gehört zum schönsten und schwersten, was wir tun dürfen – lohnend ist es allemal. Dazu bedarf es großer Empathie, einer hohen Toleranz gegenüber den Werten und Haltungen der zu begleitenden Personen, Offenheit für deren Gedankengänge, Ängste und Sorgen sowie großer Ehrlichkeit. Wir brauchen dringend Menschen, die in diesem wunderschönen Dienst der Sterbe- und Trauerbegleitung ihre persönliche Herausforderung erkennen und ihn mit Hingabe versehen. Notwendig dazu ist eine nachhaltige und ehrliche Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie und all ihren Erfolgen und Früchten, aber auch Kanten und Rückschlägen. Weiters Klarheit in der Suche nach dem persönlichen Lebenssinn und den eigenen Werten und Haltungen – ohne jedoch diese zum Maß für andere zu erheben.

Die IGSL-Hospizbewegung engagiert sich seit 1987 in Österreich für eine gesellschaftliche Entwicklung, die ein verändertes Bewusstsein für den Umgang mit Alter, schwerer Krankheit und dem Sterben zum Ziel hat. Unser einschlägiges Bildungsangebot umfasst einen interdisziplinären Lehrgang für Palliativ-Care, einen Lehrgang zur Trauer- und Sterbebegleitung für im Hospizbereich ehrenamtlich Tätige sowie maßgeschneiderte Einstiegsangebote nach Vereinbarung in unterschiedlichem Setting und Umfang (ein oder mehrere Abende, Wochenenden usw).

Nicht jede*r von uns hat einen „grünen Daumen“, aber dann muss man sich ja mit Pflanzen nicht umgeben. Und nicht jede*r hat das Zeug, Sterbende zu begleiten, aber – und das macht den Unterschied – trotzdem sterben Menschen in unserer Umgebung, und es steht – mit Garantie! – uns allen bevor. Es macht also Sinn, sich mit der eigenen Vergänglichkeit zu beschäftigen! Und weil es in der Diskussion, im Gespräch und Dialog besser gelingen kann, möchten wir Sie ermutigen, in den verschiedenen Gruppierungen ihrer Gemeinde das Thema aufzugreifen und immer wieder zu bearbeiten. Damit Sterben wieder zum Leben von uns allen selbstverständlich dazugehört.

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